Energie für Entwicklungsländer

Herausforderung

Weltweit haben ca. eine Milliarde Menschen - besonders im ländlichen Raum und in sehr abgelegenen Regionen - keinen Zugang zu Elektrizität. Ihre Energiequellen sind in der Regel Holz, Pflanzenreste und Tierdung. Damit kochen sie auf offenem Feuer und heizen ihre Wohnung. Verfügen sie über einen Anschluss an das Stromnetz, so ist ihr alltägliches Leben sehr häufig von Stromausfällen geprägt, die stunden- oder gar wochenlang andauern können.

Allerdings ist der Zugang zu günstiger und zuverlässiger Stromversorgung unerlässlich für nachhaltige Entwicklung und besonders wichtig in den Bereichen Bildung, Wirtschaft und Gesundheit. So ist ohne Strom weder für Lehrer ein moderner Unterricht an einer Schule möglich noch für Landwirte der Betrieb von Wasserpumpen für die Bewässerung ihrer Felder. Fatale Folgen können Stromausfälle bei Operationen in Krankenhäusern haben.

Verstärkt wird die Energieproblematik in Entwicklungsländern dadurch, dass in diesen Ländern sowohl der Energiebedarf pro Kopf steigt als auch meist das Bevölkerungswachstum größer ist als die Elektrifizierungsrate. Historische Entwicklungen zeigen, dass die hohen Geburtenraten in Entwicklungsländern meist erst bei Erreichen einer gewissen wirtschaftlichen Entwicklung signifikant sinken und für diese ist wiederum der Zugang zu zuverlässiger und bezahlbarer Elektrizität nötig. Dies gilt es mit Erneuerbaren Energien vor allem in ländlichen Regionen in Entwicklungsländer sicherzustellen um dort Treibhausgasemissionen zu reduzieren, weiteres Bevölkerungswachstum zu vermeiden und lokale Armut einzudämmen.

Chancen

Dem stark steigenden Energiebedarf kommt jedoch das enorme Potenzial in Entwicklungsländern für Regenerative Energiesysteme entgegen. Sonnige Regionen bieten nahezu perfekte Bedingungen für Photovoltaik-Systeme. So beträgt zum Beispiel die mittlere solare Einstrahlung in Simbabwe über 2100 kWh pro Quadratmeter und Jahr und ist damit etwa doppelt so hoch wie die in Deutschland. Gebirgsregionen, wie die Himalaya-Region, verfügen über immense Wasserkraftpotenziale. Das technisch nutzbare Potenzial z. B. in Nepal wird auf rund 40.000 Megawatt geschätzt und ist damit eines der höchsten Pro-Kopf-Potenziale weltweit. Bisher sind davon jedoch gerade mal zwei Prozent erschlossen. Diese Ressourcen lassen sich mit den entsprechend angepassten Technologien nutzen.

Forschung am Lehrstuhl

Der Lehrstuhl für Erneuerbare und Nachhaltige Energiesysteme beschäftigt sich mit der Energieproblematik in Entwicklungs- und Schwellenländern und setzt seit Jahren auch konkrete Pilotprojekte in Simbabwe, Nepal und Indien um und darüber hinaus zukünftig auch in Ghana mit der TUM.Africa Partneruniversität KNUST.

Themenschwerpunkte sind:

  • dezentrale Energiesysteme für Entwicklungsländer (0.2kW – 100kW)
  • Kleinwasserkraftanlagen
  • Low-Tech und Low-Cost Lösungen für Energiesystemkomponenten in Entwicklungsländern
  • Dezentrale Energy-Water-Food Systeme für Entwicklungsländer
  • Kostenoptimierte Auslegung gekoppelter Systeme wie Photovoltaik mit Batteriespeichern und Biogasmotoren
  • Messungen und Umfragen vor Ort
  • Wissenstransfer in Entwicklungsländern
  • Training von lokalen Anwendern
  • Analyse von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Aspekten
  • Machbarkeitsstudien

Ansprechpartner: Stephan Baur und Sissi Bazan

Projektbeispiele

Simbabwe

Die TUM kooperiert schon seit über zehn Jahren mit der Gemeinde St. Rupert Mayer im ländlichen Simbabwe. Nach zahlreichen studentischen Arbeiten vor Ort wird dort aktuell das erste Energy-Water-Food System seine Art installiert. Dabei ermöglichen mit Solarstrom betriebene Wasserpumpen eine deutlich erhöhte Produktivität in der Landwirtschaft. Aus den anfallenden Biomasseresten kann ausreichend Biogas erzeugt werden um die Stromversorgung mittels regelbarer Gasmotoren in Zeiten sicherzustellen, in denen kein oder zu wenig Strom durch Photovoltaik erzeugt wird. Dies sowie die flexible Einsatzbarkeit der Wasserpumpen reduzieren drastisch den Bedarf an Batterien oder Strom aus Dieselgeneratoren, was wiederum zu deutlich reduzierten Stromerzeugungskosten führt. Der ENS beschäftigt sich hierbei mit kostenoptimierter Systemmodellierung sowie technischer und sozio-ökonomischer Umsetzbarkeit.

Eindrücke (Fotos) aus Simbabwe

Medien

Artikel „Dezentrale Energy-Water-Food-Systeme für Afrika“ im TUMcampus Magazin 5/2018 (Seite 48): www.tum.de/fileadmin/w00bfo/www/TUMcampus/2018_4/TUMcampus_18_4_Web.pdf

Kurzes Video zu dezentralen Energy-Water-Food Systemen von High School Schülern aus St. Rupert Mayer: https://www.youtube.com/watch?v=DpDQjUu5jtk

Video über Messungen und Umfragen zu dezentralen Energy-Water-Food Systemen von Studierenden der ENS: https://www.youtube.com/watch?v=pVoBIFUsDfA 

Nepal

Große Gebiete im Himalaya-Land Nepal sind nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Und so leben speziell im Nordosten und Nordwesten des Landes im Hochgebirge etwa 7 Millionen Menschen ohne Zugang zu elektrischer Energie. Mit unterschiedlichen Pilot-Projekten zeigt das ENS-Team in enger Zusammenarbeit mit der Kathmandu University, mit verschiedenen Unternehmen und Handwerksbetrieben in Nepal, wie die Situation vor Ort verbessert werden kann. So wurde an der Lophelling-Boarding-School (LBS) im Manangtal im Jahr 2015 erfolgreich eine Warmwasseranlage installiert. Ergänzt wurde die Anlage 2018 durch ein Photolvoltaik-Wind-System mit Batteriespeicher.

Parallel dazu wurde das am Lehrstuhl für Erneuerbare und Nachhaltige Energiesysteme entwickelte Low-Tech-Waterwheel stets optimiert und verbessert und 2018 die erste Pilotanlage in der Nähe von Kathmandu installiert.

Eindrücke (Fotos) aus Nepal

Medien

Artikel „Wasserräder für Nepal“ im TUMcampus Magazin 1/2015 (Seite 48 und 49): www.tum.de/fileadmin/w00bfo/www/TUMcampus/Archiv_Pdf_Lesezeichen/2015_1_TUMcampus_WEB.pdf

Kurzes Video vom ersten Testlauf der Wasserrad-Pilotanlage in der Nähe von Kathmandu: www.youtube.com/watch

Kurzfilm über das Wasserrad Projekt beim Bergfilm-Festival Tegernsee 2018: https://www.youtube.com/watch?v=4-jOwai3BPo&t=10s

Artikel „Kleinwasserkraftanlagen – Lowtech für Nepal“ im Magazin „Kultur & Technik“ des Deutschen Museums 2/2020 (Seite 20-25): 

Indien

Viele der abgelegensten Gemeinden in Indien haben immer noch keinen Zugang zu Strom. Das ENS-Team der TUM untersuchte die elektrische Nachfrage in Dörfern in Arunachal Pradesh, um die Machbarkeit von Minigrid-Systemen für die Bereitstellung von nachhaltiger Energie zu verstehen. Mit seinen Partnern in Indien - der NGO „Further and Beyond“, dem Microgrid-Entwickler „Mera Gao Power“ und dem Universitätspartner „IIT Guwahati“ - entwickelte das Forscherteam der TUM ein Prototyp-Minigrid-System an einem abgelegenen Ort. Im Sommer 2018 wurde eine vorläufige Untersuchung durchgeführt, zu der auch eine Energiebedarfsumfrage gehörte.

Im Juli 2019 installierten schließlich zwei Masterstudenten der TUM ein erneuerbares Inselsystem in der kleinen Ortschaft Jamupani im Nordosten Indiens. Das System besteht aus einer Kleinstwasserkraftturbine, einer PV-Anlage und einem Batteriespeicher. Die Anlage versorgt die kleine Ortschaft und zusätzlich eine lokale staatliche Schule durchgängig mit Strom. Die Schule beherbergt etwa 50 Schülerinnen und Schüler bis zur 8. Jahrgangsstufe aus der gesamten Region. Dank der elektrischen Beleuchtung zeigen die Schülerinnen und Schüler bereits bessere Lernergebnisse. Das Energiesystem wurde so entwickelt, dass es den Energiebedarf der Ortschaft und der Schule möglichst genau abdeckt. Beim Entwurf des Systems wurde besonderen Wert auf Robustheit und einfache Bedienbarkeit gelegt.

Während des gesamten Projekts wurde das TUM-Team aktiv von der einheimischen Bevölkerung und lokalen Firmen unterstützt und so konnten die verschiedenen Kompetenzen gebündelt werden.

Eindrücke (Fotos) aus Indien

Medien

Kurzfilm über das Minigrid-Projekt in Jamupani (Videoschnitt Gretta Sammalniemi): https://www.youtube.com/watch?v=SEQRCZz_Bvk&feature=youtu.be

Ghana

Im Zuge der TUM.Africa Strategie wird der ENS zukünftig auch in Ghana zu dezentralen Energy-Water-Food Systemen unter veränderten klimatischen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen forschen.