Aus der Geschichte des Lehrstuhls für Elektrische Maschinen und Geräte und des Fachgebiets Energiewandlungstechnik

1901 - 1935

Der Lehrstuhl für Elektrische Maschinen an der damaligen Technischen Hochschule München wurde im Jahre 1901 gegründet. Als erster Lehrstuhlinhaber wurde der damals erst 31-jährige Oberingenieur Johann Ossanna berufen. Während seiner Zeit am Lehrstuhl befaßte sich Ossanna zunächst mit der Elektrifizierung der Vollbahnen. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm er sich u. a. der Fernübertragung von großen Mengen elektrischer Energie an.

Ossanna wurde 1870 in Südtirol geboren und studierte an der Technischen Hochschule Graz. Von dort wechselte er zu Siemens & Halske nach Wien. Bekannt wurde Ossanna für seine 1899 veröffentlichte Arbeit über die Theorie des Drehstrommotors. Dabei erweiterte er u. a. das bereits 1894 von Heyland angegebene Kreisdiagramm der Asynchronmaschine um die Leistungsgeraden (Ossanna-Kreisdiagramm).

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurde Ossanna zum Geheimen Hofrat ernannt. 1921 verlieh ihm die Technischen Hochschule Karlsruhe den Titel "Dr.-Ing. E. h." und 1942 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaft gewählt.

1935 - 1945

1935 folgte Theodor Bödefeld als Lehrstuhlinhaber. Während seiner Zeit am Lehrstuhl verfaßte er, zusammen mit Heinrich Sequenz aus Wien, sein bekanntes Buch "Elektrische Maschinen".

Th. Bödefeld, geboren 1898, studierte an den Technischen Hochschulen Darmstadt und Hannover. 1922 fand er eine Anstellung bei der Maschinenfabrik Thyssen in Mülheim/Ruhr. 1926 wechselte er als Assistent von Prof. Rudolf Richter an die Technische Hochschule Karlsruhe und promovierte dort über die Eigenschwingung der Synchronmaschine. 1931 wurde er Professor am Badischen Staatstechnikum in Karlsruhe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg mußte Bödefeld den Lehrstuhl aus politischen Gründen wieder verlassen. 1947 erhielt er einen Ruf an die Technische Universität Istanbul, wo er schon 1943 - 1944 als Gastprofessor tätig war, dorthin wurde ihm aber die Ausreise verweigert. 1952 übernahm Bödefeld zunächst die Leitung der Berechnungsbüros und später die Technische Leitung im Dynamowerk der Siemens-Schuckertwerke AG in Berlin-Siemensstadt. Th. Bödefeld starb 1959 im Alter von 61 Jahren.

1945 - 1946

Nach der Wiedereröffnung der Technischen Hochschule München übernahm J. Ossanna für eine Übergangszeit wieder den Lehrstuhl.

1952 starb J. Ossanna im Alter von 82 Jahren.

1946 - 1955

1946 wurde Walter Seiz auf den Lehrstuhl berufen. Sein besonderes Interesse galt stets den Drehstrom-Hintermaschinen.

Seiz wurde 1885 geboren und studierte in Karlsruhe. 1912 übernahm er bei Brown-Boveri & Cie. in Baden die Berechnung von Drehstrom-Kommutatormaschinen, insbesondere der Scherbius-Regelsätze. Dort fertigte er auch eine Dissertation zum Thema "Theorie des asynchronen Frequenzwandlers" an. 1929 wurde er auf den Lehrstuhl für Elektrische Maschinen an der Technischen Hochschule in Danzig berufen, wo er bis zum Ende des Krieges blieb.

1955 - 1971

W. Scheuring leitete von 1955 bis 1971 den Lehrstuhl. 1963/64 zog der Lehrstuhl aus dem Elektrotechnischen Gebäude im Innenhof der TH in den Neubau im Nordgelände um. 1965 wurde ein neuer Lehrstuhl für Elektrische Antriebs- und Kraftwerkstechnik (Prof. G. Kessler) gegründet, der vom Lehrstuhl für Elektrische Maschinen und Geräte das Lehr- und Forschungsgebiet der elektrischen Antriebstechnik übernahm.

1971 - 2000

Nach der Emeritierung von Prof. Scheuring wird im Jahr 1971 Hans-Werner Lorenzen auf den Lehrstuhl berufen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der BBC AG (heute ABB) hatte er seit 1965 das gesamte Feld der elektrischen Maschinen mittlerer und großer Leistung hinsichtlich wissenschaftlich-technischer Fragestellungen betreut. Seit 1968 war er als Ressortchef bei der AG Brown Boveri Baden / Schweiz zunächst mit kleinen, synchronen wie asynchronen Drehfeldantrieben, schließlich im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten mit Asynchronmotoren mittlerer Leistung befaßt.

In Fortführung einer Forschungsaktivität aus seiner Industrietätigkeit begründet Prof. Lorenzen das langjährige und fruchtbare wissenschaftliche Engagement des Lehrstuhls auf dem Gebiet der supraleitenden Magnetspulen. Neben einem 300 kVA-Modell-Synchrongenerator mit supraleitender Erregerwicklung entsteht ein magnetischer Energiespeicher auf Grundlage supraleitender Spulen in toroidaler Anordnung (Speichervolumen 1,4 MJ). Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt in der Untersuchung von Wanderfeldlinearmaschinen: Gestützt auf das am Lehrstuhl gebaute Modell eines homopolar erregten Synchron-Linearmotors, werden wesentliche Aussagen zu Betriebsverhalten und Einsatzmöglichkeiten derartiger Wandler erarbeitet. Für die neurologische Forschung und Diagnostik entwickelt der Lehrstuhl geeignete Drehmomentgeber, die am Klinikum rechts der Isar Einsatz finden.

Die Medizintechnik wird als ein zentrales Arbeitsgebiet etabliert: Auf der Grundlage eines ersten Prototypen, der sich seit 1993 im klinischen Einsatz bewährt, entsteht eine Reihe von Geräten zur Magnetstimulation insbesondere peripherer Nerven. Ebenfalls Gegenstand der Forschung ist die optimale Gestaltung der zugehörigen Stimulationsspulen. Eine therapeutische Anwendung des Systems kann etwa die Beschwerden am Parkinson-Syndrom erkrankter Patienten wirkungsvoll lindern. Im Fall zentral bedingter Lähmungen gelingt die Wiederherstellung verlorengegangener Bewegungsmuster (z. B. des hinsichtlich der Feinmotorik anspruchsvollen ,Pinzettengriffs'). Im Jahr 1999 wird in Koopperation mit dem Deutschen Herzzentrum die Entwicklung einer implantierbaren Blutpumpe begonnen. Von besonderer Bedeutung ist ein günstiger Wirkungsgrad des kleinen Synchronmotors, um das System effizient aus einer Batterie speisen zu können.

Die Mitarbeit des Lehrstuhls am interdisziplinär eingerichteten Sonderforschungsbereich 365, der die Entwicklung eines neuartigen Hybridantriebs für Straßenfahrzeuge zum Ziel hat, führt in den Jahren 1993 - 2002 neben der Entwicklung und Untersuchung innovativer elektromechanischer Wandler zu einem fahrzeugtauglichen elektrischen Antriebsstrang.

Weitere wesentliche Kernthemen der Forschung sind zuletzt die Untersuchung supraleitender magnetischer Traglager, die theoretische und meßtechnische Betrachtung der Spannungsbeanspruchung großer Asynchronmotoren bei Schaltvorgängen und die eingehende Analyse spezieller Kurzzeit-Energiespeicher in elektrischen Versorgungsnetzen.

Im Rahmen zahlreicher Forschungsaufträge großer und mittelständischer Unternehmen ist der Lehrstuhl mit einer breiten Palette unterschiedlichster Aufgabenstellungen aus dem Bereich der elektromechanischen Energiewandlung befaßt. Beipielhaft sind hier die Arbeiten an einem Kurbelwellen-Startergenerator für Kraftfahrzeuge, die numerische Berechnung des magnetischen Kreises von Gleichstrom- und Synchronmaschinen oder die Untersuchung von Doppelschichtkondensatoren hoher Leistungsdichte anzuführen.

Besondere Schwerpunkte der Lehre werden im Bereich des dynamischen Verhaltens von Asynchronmaschinen, in der digitalen Simulation von Maschinen und Stromrichterschaltungen sowie bei der Berechnung magnetischer Felder gesetzt.

In den Jahren 1987 - 1995 wirkt Prof. Lorenzen als 1. Vizepräsident der TU. Als Emeritus steht er heute den Mitarbeitern des Fachgebiets Energiewandlungstechnik mit Rat und Tat zur Seite.

2000 - 2002

In Umsetzung eines Beschlusses der Hochschulleitung wird der Lehrstuhl für Elektrische Maschinen und Geräte zum 30.9.2000 aufgelöst. Hintergrund ist ein Umwidmungskonzept, welches die Hochschule für den Aufbau einer neuen Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften erarbeitet hatte.

Der Fachbereich der elektromechanischen Energiewandlung wird fortan vom unabhängigen, Fachgebiet Energiewandlungstechnik' vertreten, dem Prof. Lorenzen, bereits emeritiert, zunächst als kommissarischer Leiter vorsteht.

2002 - heute

Am 1.7.2002 übernimmt Hans-Georg Herzog die Leitung des Fachgebiets. Zunächst mit der Entwicklung von Wechselstrom-Kommutator-Motoren für handgeführte Elektrowerkzeuge befaßt, wirkte Prof. Herzog schließlich als Assistent des Vorstands in der Robert Bosch GmbH.